Produktionsplanung: Das Jahr 2020 hat die Supply-Chain-Welt auf den Kopf gestellt
By Alessandra Giovanelli, Lena Schneider und Sonja Telscher
Vor dem Hintergrund wachsender Komplexität und Dynamik erfordert erfolgreiche Unternehmensführung eine Abkehr vom traditionellen Denken. Die Märkte werden immer volatiler und sind von einer schwankenden Nachfrage geprägt. Im folgenden Beitrag geben wir einen Einblick in die neue Dynamik, die ein Überdenken der bisherigen Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsprozesse notwendig macht. Was hat sich im Vergleich zu früher geändert? Was ist gleich geblieben? Und wie sieht die Zukunft der Lieferkette – von der Beschaffung der Rohstoffe über die variable Lagerhaltung bis hin zum Management der Materialströme aus?
Schon in der Vergangenheit haben Unternehmen erkannt, dass sich eine kluge Abstimmung von Produktionskapazitäten entscheidend auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebes auswirkt. Denn wie Benjamin Franklin einst sagte: „Wenn man es nicht schafft zu planen, plant man, es nicht zu schaffen.“ Nur mit einer durchdachten, flexiblen Produktionsplanung und -steuerung lassen sich Material- und Kapazitätsengpässe, Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Liefertermine sowie unnötig hohe Produktionskosten vermeiden.
Am Markt ist vermehrt zu beobachten, dass die Anforderungen an die Produktion steigen. Die Devise lautet: Immer schneller, immer besser, immer günstiger. Kundenanfragen müssen zeitnah beantwortet, Termintreue sichergestellt und Durchlaufzeiten reduziert werden. Die Produktionsprozesse sollten außerdem möglichst fehlerfrei sein, um keinen Ausschuss zu erzeugen und Nacharbeiten zu umgehen. Zusätzlich wächst der Druck auf die Kosten, da die Vielfalt der globalen Anbieter die Preise drückt und sich auf die Gewinnmargen auswirkt.
In Anbetracht der gestiegenen Erwartungshaltung ist es essenziell, personelle sowie materielle Ressourcen hinreichend zu kalkulieren. Aufgrund der Marktvolatilität ist hierbei ein hohes Maß an Flexibilität gefragt, das es in die Supply-Chain-Planung zu integrieren gilt.
Die Lieferkette ist äußerst komplex und stets nur so gut wie ihr schwächstes Glied. Zu den größten Herausforderungen im Supply Chain Management gehört vor allem die Absatzplanung, zu der sich seit neuestem die Problematik der Rohstoffknappheit gesellt hat. Die Nachfrage steigt, doch es kann nicht mehr geliefert werden, da die notwendigen Rohstoffe fehlen. Immer mehr Staaten ergreifen protektionistische Maßnahmen und schotten ihre Märkte ab, um die Produktion und Weiterverarbeitung im eigenen Land zu fördern. Der Mangel an Rohstoffen zieht sich durch alle Bereiche des verarbeitenden Gewerbes. Gerade bei Materialien wie Stahl, Kupfer, Aluminium, Polymeren, Halbleitern, Isoliermaterialien und Bauteilen klagen zahlreiche Unternehmen über Versorgungsengpässe. Dies bekommen insbesondere auch die Verbraucher zu spüren, die am Ende der Kette stehen und ihre Bestellung nicht plangemäß erhalten oder erst gar nicht aufgeben können.
Zwar lassen sich nicht alle aktuellen Herausforderungen mit einer optimierten Supply Chain bewältigen, doch grundsätzlich gilt: Nur das funktionierende Zusammenspiel aus verfügbaren Ressourcen, guter Planung und Disposition führt zur effizienten und zeitgerechten Abwicklung von Produktionsaufträgen.
Darüber hinaus hängt eine wirtschaftliche Supply Chain maßgeblich von einem klugen Lager- und Bestandsmanagement ab. In Bezug darauf muss man sich verschiedene Fragen stellen:
- Macht es Sinn, on-stock zu produzieren, um Bestellungen im erwarteten, wettbewerbsgerechten Zeitfenster auszuliefern?
- Sollten Halbfertig- oder Fertigprodukte auf Lager gelegt werden?
- Welche Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe werden in welchen Mengen benötigt?
- Gibt es Mindesthaltbarkeitsdaten, Mindestbestellmengen oder Lieferzeiträume, die zu beachten sind?
Bei all den Überlegungen gilt es stets zu bedenken, wie viel Kapitalbindung noch gesund ist und wo mengeninduzierte Kostendegression und Verbrauchshorizonte gegeneinander abgewogen werden müssen.
Auch eine störungsfreie Produktion sowie die digitale Überwachung und Steuerung der gesamten Intralogistik gehören heute zum Instrumentarium des erfolgreichen Wirtschaftens. Auf dem Weg zur Smart Factory sind kollaborative Informationssysteme, selbststeuernde Nachschubprozesse, automatisierte Fertigung und Predictive Maintenance die entscheidenden Faktoren. Die Verquickung von OT und IT mittels moderner Sensorik und leistungsfähiger Software sorgt dafür, dass die Idee einer horizontal und vertikal digitalisierten Supply Chain Wirklichkeit wird. Damit ist es möglich, den Planungsprozess rollierend an die realen Gegebenheiten anzupassen, flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren und dennoch die Kosten im Blick zu behalten. Ressourcen und Werkzeuge werden vorausschauend eingeplant, Prozesse durch systematischen Informationsfluss verschlankt und die zur Verfügung stehende Big Data nutzbar gemacht. Von zentraler Bedeutung ist dabei eine zuverlässige Absatzplanung, die sich auf jeden folgenden Prozessabschnitt auswirkt. Hier müssen alle wichtigen Informationen und Variablen berücksichtigt sowie aufeinander abgestimmt werden; so finden die Protagonisten auf Nachfrage-, Lieferanten- und Anbieterseite zu einem synergetischen Netzwerk zusammen.
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