Kettec – Mit filigraner Präzision gegen Orkan-Kräfte
Vollautomatische Maschine produziert Bauteile für Windkraftanlagen
Windkraft spielt in der Energiewende eine bedeutende Rolle, rangiert hinter der Photovoltaik auf Rang zwei oder drei, je nachdem, ob man Wasserkraft zu den erneuerbaren Energien zählt oder nicht. Und die Energieerzeugung aus Wind nimmt kontinuierlich zu: 2021 wuchs die Kapazität der Windkraftanlagen weltweit um rund 94 Gigawatt auf knapp 840 Gigawatt. Die Firmen Kettec und Tiskens tragen dazu bei, dass der Ausbau dieser Sparte der erneuerbaren Energie mit möglichst effizienten Anlagen vorangetrieben werden kann.
Moderne Windräder sind bis zu 180 Meter hoch und können bei maximaler Auslastung bis zu 6 Megawatt Strom pro Stunde erzeugen. Damit die Anlagen die Energie des Windes dauerhaft mit maximaler Effizienz in elektrische Energie umwandeln können, müssen die aufgenommenen Kräfte möglichst reibungslos übertragen werden. Dabei kommt den Wälzlagern eine Schlüsselrolle zu. Je leichter sich diese bewegen, umso geringer der Energieverlust. Entsprechend hoch ist die Güte, mit denen die Komponenten jedes dieser Wälzlager gefertigt werden müssen. Eine dieser Komponenten ist der Wälzlagerkäfig. Dieser sorgt dafür, dass die Kugeln in ihrer vorgesehenen Position bleiben und die Kraftübertragung verlustfrei verläuft.
0,2 Millimeter Toleranz auf 19 Meter
„Die Präzision, die bei der Fertigung dieser Wälzlager erreicht werden muss, ist enorm“, so Joachim Schmitz, Leiter Vertrieb und Entwicklung im Bereich Maschinenbau bei der Kettec GmbH. Das Unternehmen ist unter anderem spezialisiert auf die Anfertigung von automatisierten Spezialmaschinen. Eine solche benötigte auch ein Hersteller von Windrad-Wälzlagern. „Die von uns entwickelte und realisierte Maschine schweißt angelieferte Einzelkomponenten vollautomatisch zu einem bis zu 19 Metern lange Rohling für Wälzlagerkäfige zusammen. Die Toleranz beträgt dabei gerade einmal 0,2 Millimeter.“
Komplexe Prozesse reibungslos automatisiert
Greifen, befördern, schweißen, fräsen: Damit der komplexe Gesamtprozess störungsfrei und mit maximaler Zuverlässigkeit und Präzision automatisiert abläuft, ist eine ebenso zuverlässig und präzise Sensorik erforderlich. „Wir arbeiten bereits seit 10 Jahren mit ifm zusammen“, so Schmitz. „Von Beginn an hat uns das große Portfolio und die Produktqualität überzeugt. Und so finden sich auch in der aktuellen Maschine jede Menge Komponenten des Anbieters von Automatisierungstechnik und Digitalisierungslösungen wieder. Sie stellen sicher, dass die komplexen, ineinander verzahnten Prozesse ebenso reibungslos funktionieren wie die Kugellager, in denen die Wälzlagerringe zukünftig ihren Dienst verrichten.
Sicherheitsportfolio aus einer Hand
„Der erste Arbeitsschritt, die Befüllung der Anlage mit den Einzelkomponenten, erfolgt manuell. Dabei wird ein Transportwagen unterhalb des Portalroboters positioniert und fixiert.“ Mittels Sensorik wird aber nicht nur die Anwesenheit des Wagens abgefragt: Sicherheitslichtgitter verhindern, dass sich der Portalroboter bewegt, solange sich ein Mensch im Gefahrenbereich aufhält. Damit ein Mitarbeiter bei geplantem Zugang ebenfalls sicher unterhalb des Portalroboters arbeiten kann stellen zwei induktive Sicherheitssensoren fest, ob der Portalroboter eine sichere Position eingenommen hat und dort mit einem Bolzen zusätzlich gesichert wurde.
„Neben der Sicherheits-Sensorik werden wir in diesem relevanten Themenbereich zukünftig auch auf den ifm Safety Service zurückgreifen – für uns als Anlagenentwickler ist es ein großer Vorteil, wenn wir möglichst alle Aspekte und Bestandteile der Automatisierung aus einer Hand beziehen können“, so Joachim Schmitz. Der ifm Safety Service unterstützt Hersteller von Anlagen dabei, ein lückenloses, gesetzeskonformes Sicherheitssystem nach dem Stand der Technik zu entwickeln und zu implementieren.
Wo manuelle auf automatisierte Arbeit trifft, müssen die bedienenden Personen durch Sicherheitsvorkehrungen zuverlässig geschützt werden. Neben Safety-Produkten, wie den induktiven Sicherheitssensoren (Bild rechts), bietet ifm mit dem ifm Safety Service auch beratende Unterstützung.
Zehntelmillimetergenaue Längenerfassung
Wurden die Einzelteile unter dem Portalkran platziert und haben alle Personen den abgesicherten Bereich verlassen, übernimmt alles weitere die Anlage. Anwesenheitskontrolle, Aufnahme und korrekte Ausrichtung des Werkstücks, die Prüfung der vollständigen Bestückung der Fräsmaschine mit Fräsaufsätzen, das exakte Manövrieren des Greifers am Portalroboter oder die präzise Positionierung der Fräs-Schweiß-Einheit: „Alles was automatisch bewegt und abgefragt werden kann, wird in der Anlage mittels Sensorik von ifm gelöst“, so Joachim Schmitz. Gleiches gilt für die präzise Längenmessung des Wälzlager-Rohlings. „Hierfür nutzen wir einen absoluten Multiturn-Drehgeber in Kombination mit einem Messrad. Dank der hohen Auflösung und der Genauigkeit von 0,1 Grad können wir die Vorgaben der geringen Toleranz zuverlässig einhalten.“
Anwesenheitskontrolle der Fräsköpfe (induktive Sensoren), exakte Positionierung der Werkstücke vor dem Schweißen (Reflexlichtschranke) und präzise Längenmessung (absoluter Multiturn-Drehgeber): Kettec setzt dafür auf Sensorik von ifm.
Permanente präzise Positionsüberwachung
Absolute Multiturn-Drehgeber, wie der hier eingesetzte RMV300 haben den Vorteil, dass sie selbst im stromlosen Zustand die absolute Position verfolgen und bei anschließender Stromzufuhr mögliche Veränderungen übermitteln können. „Würde also unser Werkstück verschoben während die Anlage stromfrei ist, wüssten wir dennoch exakt über die bisher verschweißte Länge des Lagerkäfig-Rohlings Bescheid“, so Schmitz.
Die zahlreichen Vorteile von IO-Link
Sämtliche Sensorik der Sondermaschine kommuniziert über IO-Link – ein bedeutender Vorteil, wie Jan Tiskens, Technischer Vertriebsingenieur bei der Tiskens Steuerungs- und Antriebstechnik GmbH & Co. KG, weiß. Das Unternehmen realisiert im Auftrag der Firma Kettec die Automatisierung. „Ein großer Gewinn für unsere Arbeit ist die einfache, schnelle, fehlerfrei durchzuführende Verkabelung“, so Tiskens. „Das spart uns im Vergleich zur herkömmlichen zentralen Verdrahtung bis zu 20 Prozent der Zeit. Zudem gewinnen wir bei individuellen Kundenlösungen an Flexibilität, wenn wir zur Funktionserweiterung vorab nicht eingeplante Sensorik integrieren möchten. All das ist dank der Dezentralität erheblich einfacher umzusetzen. Gleichzeitig sparen wir rund 15 Prozent der Kabelkosten ein, da wir die feldtauglichen IO-Link-Master in Reihe miteinander verbinden können und so den Bedarf an langen Kabelstrecken minimieren können.“
Die IO-Link-Master, hier mit Profinet-Schnittstelle, erleichtern und beschleunigen nicht nur die Anbindung der Sensoren. Die Master der PerformanceLine bieten eine ausreichende Spannungsversorgung, um Aktuatoren zu betreiben. Zudem kann per Fernwartung der Zustand jedes einzelnen Sensors überprüft werden.
Ferndiagnose kann Stillstandzeiten reduzieren
Die dezentrale digitale Anbindung der Sensorik hat jedoch nicht nur in der initialen Umsetzung der Automatisierung einen erheblichen Vorteil. „Da wir per Fernwartung die ganze Anlage bis zum einzelnen Sensor hinunter auf Funktion und Fehler überprüfen können, beginnt die Störungsbehebung nicht erst nach der Anfahrt zum Kunden“, so Tiskens. „Wir können die Ursache vorab von uns aus identifizieren. Der Aufwand für die anschließend eventuell erforderlichen Wartungsarbeiten beim Kunden kann damit ebenfalls drastisch reduziert werden. Der Austausch einer defekten Kabelstrecke lässt sich ohne größere Stillstandszeiten umsetzen, und selbst der Austausch eines Sensors kann in vielen Fällen bereits mit geringer Fachkenntnis, also im Grunde auch vom Kundenmitarbeiter selbst durchgeführt werden, da der IO-Link-Master die gespeicherten Parameter automatisch auf den neuen Sensor überträgt. Das kann die Stillstandzeit der Anlage mitunter erheblich reduzieren.“
Digitale Qualitätsabsicherung
Zu guter Letzt bedeutet die digitale Erfassung aller Prozessdaten auch für den Endkunden einen hohe Komfort- und Sicherheitsgewinn, wie Joachim Schmitz betont: „Alle Daten werden mit Zeitstempel dokumentiert. Im Falle eines Regressanspruchs kann damit einfach und zweifelsfrei überprüft werden, ob im Prozess tatsächlich Abweichungen aufgetreten sind, die sich auf die Qualität des Endprodukts auswirken.“
Fazit
Mit einem breiten Leistungs-Portfolio an moderner Sensorik und Infrastruktur unterstützt ifm die Firmen Kettec und Tiskens bei der Automatisierung und Digitalisierung selbst komplexer, individueller Produktionsanlagen. Von den Vorteilen der digitalen Datenübertragung mittels IO-Link profitieren aber nicht nur die Firmen selbst, sondern auch der Endkunde.