Optimale Verwendung statt Verschwendung: Maschinenkapazitäten besser planen
By Gerald Scheffels für ifm
In (fast) jeder Produktion gibt es Engpassmaschinen, die als „Bottlenecks“ die Taktrate eines kompletten Fertigungsbereichs bestimmen und deshalb die besondere Aufmerksamkeit der Produktionsplanung erfordern. Für diese Aufgabe gibt es Software-Tools. Aber die Praxis zeigt: Auch wenn diese zum Einsatz kommen und die Planer den potenziellen Engpass berücksichtigen, kommt es trotzdem immer wieder zu Stockungen und Verzögerungen in der Produktion.
Der Grund: Die Software kann sehr wohl den Betrieb der Maschine überwachen und im Idealfall auch optimieren. Aber ihr fehlt der Blick auf das Umfeld – mit der Folge, dass die vermeintliche „Problemmaschine“ tipptopp läuft und konstant Höchstleistung erbringt, nun aber die vor- und nachgelagerten Prozesse Probleme bereiten.
Die Konsequenz daraus: Ein Software-Tool, das nur eine Einzelanlage in der verketteten Produktion optimiert, ist eindeutig „suboptimal“. Vielerorts werden Produktionsplanungssysteme, kurz PPS, eingesetzt. Diese sind zwar hilfreich, betrachten jedoch die Fertigungsabläufe nur schematisch aufeinanderfolgend, vergleichbar mit einer Perlenkette. Abhängigkeiten zwischen den Arbeitsplätzen, Echtzeitdaten und Zeitstempel finden hier keine Berücksichtigung. Es bleibt somit bei einem „theoretisch“ möglichen Plan. Auch mit einem solchen Tool kann es zu Engpässen kommen, wie die mehr oder wenige leidvolle Erfahrung in vielen Betrieben beweist.
Den Produktionsablauf optimieren – aber wie?
Geht es denn auch anders, das heißt besser? Ja klar. Ein Beispiel: Ein Automobilhersteller hat in einem Pilotprojekt in seinem Karosseriebau konsequent Daten erhoben und ausgewertet, um die Abläufe zu optimieren. Das Ergebnis: Es können nun 15% mehr Karosserien pro Zeiteinheit gefertigt werden. Allerdings muss man hinzufügen: Mit diesem Projekt hat sich ein ganzes Team – einschließlich wissenschaftlicher Begleitung – beschäftigt, und es wurden rund zwei Milliarden Datensätze untersucht, korreliert und mit Algorithmen ausgewertet. Das mag bei einer Automobil-Serienproduktion möglich sein, nicht aber in der „normalen“ Industrieproduktion – abgesehen davon, dass die Auswertung der Daten sowie die Umsetzung der Erkenntnisse viel Zeit und Expertenwissen erfordert.
Künstliche Intelligenz ist gefragt
Die Frage, die sich daraus ergibt, lautet: Geht es auch eine Nummer kleiner? Hier kommt ein KI-basierter Algorithmus ins Spiel, mit dessen Hilfe das bestmögliche Ergebnis in einer vorgegebenen Rechenzeit mathematisch ermittelt wird. Die ersten Algorithmen entstanden bereits in der Antike und haben sich seitdem bewährt. Heutzutage werden derartige Methoden u. a. für die Auswertung von Zufallsstichproben genutzt. Auch das neue Software-Tool Factory Optimization Excellence (FOX) basiert auf einem KI-basierten Algorithmus und ermöglicht so die gleichzeitige und optimale Beplanung aller Arbeitsplätze im Werk.
Optimale und gleichzeitige Beplanung mehrerer Maschinen oder Arbeitsplätze
Das klingt zunächst nicht spektakulär. Aber um diese Funktion praxisgerecht zu erfüllen, muss die Software sämtliche Anforderungen, Abhängigkeiten, Aufträge und Kapazitäten berücksichtigen und in Relation zueinander setzen. Das dabei zu berücksichtigende Datenvolumen ist schwindelerregend. Ein Experten-Team wie oben beschrieben, würde Monate für die Berechnung brauchen: kein Idealzustand für eine rollierende Planung oder einem Planungshorizont von ein bis zwei Wochen.
Den „möglichst besten“ Produktionsplan errechnen
Der KI-basierte Algorithmus der ifm-Lösung sorgt dafür, dass alle Ressourcen und Anforderungen über sämtliche betrachtete Aufträge und über alle verfügbaren Maschinen zu einem real machbaren Fertigungsplan kombiniert werden. Danach errechnet das System einen weiteren Plan mit exakt denselben Daten, vergleicht die Ergebnisse und verwirft den schlechteren Plan. Das System errechnet so lange neue Fertigungspläne, vergleicht sie und behält den besseren bei, bis das vorgegebene Zeitlimit erreicht ist. Der zu diesem Zeitpunkt beste Plan wird dann an den Produktionsplaner übergeben.
Doch der intelligente Algorithmus ist nur ein Teil der bahnbrechenden ifm-Lösung, denn auch Mathematik auf höchstem Niveau benötigt die richtigen Daten. Im sogenannten „Pegging“ werden die Abhängigkeiten aller Arbeitsplätze für jeden zu bearbeitenden Auftrag im Betrachtungszeitraum ermittelt. Dazu zählen auch Zeitstempel, beispielsweise Liegezeiten und Rüstzeiten. Im Pegging wird das komplexe Netzwerk der Fertigungsabläufe „entwirrt“ und kann dann zur Berechnung des Produktionsplans herangezogen werden.
Kombination von Künstlicher Intelligenz und Pegging bringt klare Vorteile
Die Vorteile, von dem die Anwender des neuen Planungs-Tools profitieren, liegen auf der Hand:
- Die Verwendung von Ressourcen kann viel besser geplant und somit Verschwendung gestoppt werden. Ein Beispiel: Eine Engpassmaschine sorgt für einen Stau im Fertigungsablauf. Die Folgen: Der Auftrag kann nicht termingerecht fertiggestellt werden, die nachfolgenden Maschinen und Werker stehen, die Zwischenprodukte aus den vorgelagerten Prozessen müssen zwischengelagert werden. Das kostet Lagerplatz und Leergut und erhöht die Kapitalbindung. Und das kann man, siehe oben, vermeiden.
- Der Durchlauf beschleunigt sich, weil Warte-, Liege- und Rüstzeiten aufeinander abgestimmt werden. Das senkt Betriebskosten und sorgt für eine gleichmäßige Auslastung der Kapazitäten. Zudem wird die Overall Equipment Effectiveness (OEE) erhöht und die Gesamtausbringung steigt, ohne dass die Produktionsgeschwindigkeit in kritische Bereiche erhöht oder Sonderschichten angeordnet werden müssen.
Ergebnis: Verschwendung wird siebenfach gestoppt
Genauer betrachtet bietet die neue Software siebenfachen Vorteil. Denn sie adressiert jede einzelne der sieben Arten der Verschwendung von Ressourcen, die es in der Supply Chain gibt. Diese Verschwendungen kennt man unter dem Akronym „TIM WOOD“: Transport, Inventory, Movement, Waiting, Over-Production, Over-Engineering, Defects. Auf Deutsch: Transport, Bestand, Bewegung, Wartezeiten, Überproduktion, Over-Engineering, Defekte.
Ein konkretes Beispiel aus der Fertigung:
- Transport – Teile und Materialien werden von einem Ort zum anderen befördert
Die Materialzulieferung an den Arbeitsplatz wird zeitlich und kapazitiv an den Produktionsplan angepasst. So werden Wartezeiten, Materialengpässe und Überangebote vermieden. - Bestand – nicht fertiggestellte (Zwischen-)Produkte oder Bauteile; Lager von Zulieferteilen
Anstatt Pufferbestände aufzubauen, um „befürchtete“ Engpässe zu überbrücken, werden alle Aufträge in time gefertigt. Weniger Bestand bedeutet weniger Kosten. - Bewegung – Unnötige Bewegungen von Mitarbeitern oder Maschinen.
Anstatt ständig an Störungen im Ablauf zu laborieren und damit nur Feuerwehr zu spielen, können Materialien und Menschen optimal und stressfrei eingesetzt werden. Workarounds als Folge von Störungen sind obsolet. - Wartezeiten – z. B. auf die Lieferung von Zukaufteilen oder Zwischenprodukten
Verzögerungen durch Staus im Fertigungsablauf gehören der Vergangenheit an. - Überproduktion – Fertigung „auf Halde“ ohne (interne oder externe) Abnehmer
Der Anwender muss keine Puffer für vermeintliche Engpassmaschinenanlagen einplanen. Dieser fertigt anhand „echter“ Aufträge. - Over-Engineering – Hinzufügen von Features, die keinen Wert bringen
Stattdessen ermittelt der Algorithmus eine Lösung, die eine hohe Effizienz in einem performanten Zeitlimit bietet. Sie strebt nicht nach einem perfekten Plan, sondern nach der besten Strategie. Dabei bleibt sie „schlank“ und verzichtet etwa auf komplexe Analysemöglichkeiten, die sich kontraproduktiv auf die Transparenz und Usability auswirken. - Defekte – Teile müssen nachgearbeitet werden.
Plötzliche Planänderungen, Umdisponieren von Ressourcen auf andere Maschinen und Arbeitsplätze, ungeplante Stillstände: Solche Unregelmäßigkeiten führen oft zu Fehlern in der Produktion. Auch das kann man durch die Kombination von Künstlicher Intelligenz und Pegging vermeiden.
Fazit: Verwendung von Ressourcen besser planen und damit Verschwendung stoppen
In allen sieben „Pain Points“ der innerbetrieblichen Supply Chain kann das neue Software-Tool Verschwendung reduzieren und die Nutzung der vorhandenen Ressourcen optimieren. Das gilt für den „Stand alone“-Betrieb von FOX und – in noch höherem Maße – auch für seinen Einsatz in Kombination mit anderen IIoT-Werkzeugen von ifm, die zum Beispiel die Themen Maintenance und Track-and-Trace-Quality adressieren. Empfehlenswert ist das Tool auch als Add-on zu den GIB-Kernprodukten, die unter anderem Bodensatz sowie Über- und Unterdeckung identifizieren, Reichweiten optimieren und Sicherheitsbestände austarieren.