Ausbildung am Smart Factory Model
Lernen 4.0
Im Ausbildungsbereich Mechatronik und Automatisierungstechnik gewinnt Industrie 4.0 immer mehr an Bedeutung. Moderne Schulungsmodelle helfen, Schülern, Studenten und Lehrern die Technologien zu vermitteln. Mit Komponenten, wie sie auch in der industriellen Produktion zum Einsatz kommen, lassen sich Automatisierungslösungen unterschiedlichster Komplexität entwickeln und testen.
Mit angestaubten, in Holzkisten integrierten Schulungsmodellen, wie man sie vielleicht noch aus dem Physik-Unterricht aus Schulzeiten in Erinnerung hat, haben sie nichts gemeinsam. Industrieübliche SPS, vollgrafische Touch-Panels zur Anzeige und Bedienung, RFID-Technik sowie moderne Sensorik mit IO-Link-Datenübertragung kommen in den didaktischen Modellen der Firma Köster Systemtechnik aus Iserlohn zum Einsatz. Mit dem 3-Achs-Portal lassen sich verschiedenste Transport- oder Bearbeitungssituationen ausführen. All das sind Szenarien, mit denen die Auszubildenden auch später in im Beruf konfrontiert werden – wenn auch in anderer Dimension und Komplexität. Jedoch ist das Automatisierungsprinzip das Gleiche.
Peter Konegen, geschäftsführender Gesellschafter bei Köster Systemtechnik, erklärt: „Wir bauen Modellanlagen für didaktische Zwecke. Das Spektrum reicht von kleinen Kompaktmodellen bis hin zu großen Schulungsanlagen, auf denen reale Produkte gefertigt werden können. Das hier gezeigte Modell nennen wir SFM, was für „Smart Factory Model“ steht. Hierbei liegt der Ausbildungsschwerpunkt auf Industrie 4.0. Gemeint sind damit zum Beispiel Technologien, die eine effiziente Produktion mit „Losgröße Eins“ erlauben, eine einfache Skalierung der Produktion ermöglichen sowie neue Wege in der Anlagenwartung bieten. Auch Technologien wie Data-Mining, Anbidung an ein ERP-System oder an die Cloud lassen sich mit unseren SFM-Modellen simulieren. Letztendlich bestimmt der Lehrplan der jeweiligen Bildungseinrichtung, wie tiefgehend auf diese technologischen Strategien eingegangen wird. Unsere SFM-Modelle sind auf jeden Fall bestens dafür gerüstet.“
Das leistet die Hardware
Herzstück der Anlage ist eine SPS von Siemens, auf die Auszubildende das Anwendungsprogramm laden und testen können. Doch eine Steuerung ist nichts ohne Aktoren und Sensoren. Die „ausführende Einheit“ bei diesem Modell ist ein 3-Achs-Portal, mit dem ein Kopf in X/Y/Z-Richtung verfahren werden kann. Am Kopf dient ein Magnet zum „Greifen“ von Gegenständen.
Der Clou ist die Anordnung eines Touch-Panels, welches bündig in die Arbeitsoberfläche integriert ist. Es dient nicht nur zur Visualisierung und Bedienung, sondern auch als interaktive Ablagefläche. Auf dem berührungsempfindlichen Display kann die Position von darauf abgelegten Gegenständen erfasst und vom Steuerungsprogramm verarbeitet werden. Das liefert den Auszubildenden kreativen Spielraum, zum Beispiel bei der Simulation von logistischen Prozessen.
Intelligente Sensorik mit IO-Link
Die sensorische Ausstattung des Smart Factory Models stammt vom Automatisierungsspezialisten ifm. Dazu gehören moderne Komponenten, die weit über das Ausgeben von Schaltsignalen hinausgehen und mittels IO-Link-Kommunikation Transparenz bis in den Sensor hinein bieten.
Der optischer Distanzsensor O5D100 liefert mittels Laser-basierter Lichtlaufzeitmessung millimetergenaue Abstandswerte. So erkennt er nicht nur allein das Vorhandensein eines Objekts und meldet es per Schaltsignal. Der Sensor kann auch die Höhe eines Objekts erfassen. Die Übertragung des Messwerts erfolgt digital über das Kommunikationsprotokoll IO-Link, welches sich in den letzten Jahren in der Sensorwelt als herstellerübergreifender Standard etabliert hat. IO-Link kann noch mehr: Sensoren lassen sich mit IO-Link aus der Ferne parametrieren. Vom PC aus, aber auch direkt aus dem Steuerungsprogramm der SPS heraus lassen sich Schaltwerte setzen und bei Bedarf auch im laufenden Betrieb ändern. Individuelle Anpassungen im Produktionsprozess können leicht umgesetzt werden – Stichwort „Losgröße Eins“.
IO-Link überträgt auch Diagnosedaten. So erkennt der optische Sensor zum Beispiel Verschmutzungen auf seiner Linse und gibt selbstständig eine Warnmeldung aus, wenn dadurch eine zuverlässige Erkennung nicht mehr gewährleistet ist. Diese Selbstüberwachung bietet Möglichkeiten zur Umsetzung effektiver Wartungskonzepte wie zum Beispiel Realtime Maintenance.
Die Kommunikation der Sensoren erfolgt über einen IO-Link-Master AL1100 von ifm. Dieses Feldmodul bietet auf der einen Seite per M12-Verschraubung einen Anschluss für Sensoren und Aktoren, auf der anderen Seite kommuniziert es mittels Profinet-Protokoll mit der SPS. Bei realen Anlagen bieten diese dezentralen Module eine erhebliche Vereinfachung der Verdrahtung. Und aufgrund der Adressierung einzelner IO-Link-Sensoren sind beim Anschluss oder Gerätetausch Verdrahtungsfehler oder Verwechselungen ausgeschlossen.
Der IO-Link-Master dient als Gateway zwischen den Sensoren und der SPS, die hier via Profinet verbunden ist.
Identifizieren mittels RFID
Identifikationslösungen sind in realen Produktionsprozessen nicht mehr wegzudenken, spielen sie doch in der Produktverfolgung oder Produktbearbeitung eine maßgebliche Rolle. Deshalb ist auch das Smart Factory Model mit einem RFID-Schreib-Lesekopf ausgestattet. Der DTI515 besitzt eine flache Bauform und ist unter der Arbeitsoberfläche angebracht. Die Werkstücke des Modells besitzen an der Unterseite einen ID-Tag, der beschrieben und ausgelesen werden kann, wenn sich die Werkstücke über dem RFID-Schreib-Lesekopf befinden. Dieser kommuniziert, wie auch die übrige Sensorik, via IO-Link mit dem Master-Modul.
Der RFID-Schreib-Lesekopf agiert mit den Tags an der Unterseite der Werkstücke. Die Übertragung der Daten zur SPS erfolgt per IO-Link.
Kooperation mit Bildungsinstituten
Trotz der augenscheinlich eher kleinen Abmessungen ist die technologische Tiefe des Smart Factory Models enorm. Auszubildende können unzählige Prozesse am Modell auf kleinstem Raum entwickeln und simulieren. Dieses Potenzial hat auch das Bundesland Niedersachsen entdeckt und hat 23 Schulen mit jeweils bis zu zwölf dieser Smart-Factory-Modelle ausgestattet.
Eine besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang auch der Wissenstransfer. Dadurch, dass alle Modelle identisch ausgestattet sind, lassen sich Lerninhalte und Projekte über Netzwerke austauschen. So ist eine regelrechte Community um diese „SFM“ entstanden.
An einigen Schulen wurden auch mehrere Modelle im wahrsten Sinne des Wortes nebeneinander gestellt. Werkstücke werden von einer Plattform auf die nächste geschoben und dort weiter „bearbeitet“ – wie es in der industriellen Produktion auch üblich ist. Jede Station wird dabei von einer Schülergruppe mit unterschiedlichen Bearbeitungsschritten programmiert. Diese Art des Co-Workings bereitet die Auszubildenden perfekt auf die Anforderungen des späteren Berufslebens vor.
Einen weiteren Vorteil des SFM weiß Peter Konegen noch zu berichten: „Zur Zeit des Online-Unterrichts während der Pandemie konnten Schüler dank Vernetzung von ihrem PC zuhause über den Remote-Zugriff auf das Smart Factory Model in der Schule zugreifen und so ihre Applikation testen und anderen vorstellen. So konnte Praxis-Unterricht auch online stattfinden.“
Fazit
Modernste Automatisierungstechnik auf kleinstem Raum clever miteinander vereint – so gelingt es Bildungsinstituten, ihre Schüler, Studierende und Lehrer in beliebiger technologischer Tiefe an eine moderne Produktionsentwicklung im Sinne von Industrie 4.0 heranzuführen und auszubilden. Mit an Bord sind Automatisierungskomponenten, welche die angehenden Techniker und Ingenieure später im Beruf vorfinden werden. Für beide Seiten ist das eine lohnende Investition in die Zukunft.